NSU-Untersuchungsausschuss in NRW einstimmig beschlossen
Heute steht die Einsetzung des nord-rheinwestfälischen NSU-Untersuchungsausschusses auf der Tagesordnung im Landtag NRW und zur Debatte. Das passt zeitlich gut, da heute im Bundestag zeitgleich eine Debatte anlässlich des 3. Jahrestages der Aufdeckung des NSU-Terrors stattfindet. Nachdem sich alle Fraktionen im Landtag NRW auf eine Antragsformulierung geeinigt hatten, steht einer Abstimmung in der nächsten Zeit für die Einsetzung des fraktionsübergreifenden 12-köpfigen Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) nichts mehr im Wege. Den mehrfachen Forderungen nach Aufklärung der Opfer-Angehörigen wird man nun endlich gerecht. Parallel hat sich ein NSU-Watch NRW gegründet.
Den Piraten ist die umfängliche Aufklärung aller bekannten und möglicherweise noch unaufgeklärten NSU-Taten in Nordrhein Westfalen, die im Bundes-Untersuchungsausschuss nicht hinlänglich beleuchtet werden konnten, ebenso wichtig, wie die Rolle der V-Leute und ein mögliches nordrhein-westfälischen Unterstützernetzwerk des Mord-Trios.
Brigit Rydlewski, Landtagsabgeordnete der Piratenfraktion, ist froh, dass jetzt ein Untersuchungsausschuss eingesetzt wird, der von allen Fraktionen gemeinsam getragen wird. Ihr ist neben der zentralen Aufgabe der Aufklärungsarbeit des Ausschusses auch die Beachtung und Miteinbeziehung der Opfer wichtig. Sie fordert: „Wir schulden den Opfern und ihren Angehörigen nicht nur Respekt und Anerkennung, sondern vor allem Aufklärung. Wir setzen uns dafür ein, dass auch die Opferperspektive im Ausschuss eine deutliche Berücksichtigung findet.“
Gründung eines NSU-Watch NRW
Parallel zu den Vorbereitungen der Einsetzung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses (PUA) hat sich eine Gruppe NSU-Watch NRW gebildet. Sie möchte nach dem Vorbild des NSU Watch auf Bundesebene für Transparenz und Öffentlichkeit sorgen. NSU Watch hat rund um den NSU-Komplex akribisch recherchiert und seine Recherche-Ergebnisse auf seiner Homepage regelmäßig veröffentlicht. Zudem beobachten sie den Verlauf des NSU-Prozesses am Oberlandesgerichts München kontinuierlich und berichtet regelmäßig über jeden Verhandlungstag.
Ziel der NRW-Gruppe aus Aktiven antirassistischer und antifaschistischer Initiativen und Einzelpersonen ist es, die öffentlichen Sitzungen des NRW-PUA zu besuchen und eine Zusammenfassung der einzelnen Sitzungen im Internet zu veröffentlichen. Ein ehrenwertes Vorhaben, das noch Unterstützung, auch in Form von Spenden, sucht.
NSU-Watch NRW fordert die Beschäftigung mit folgenden Komplexen
- mit der Neonazi-Szene seit Beginn der 1990er Jahre und mit möglichen Unterstützer_innen des NSU in NRW;
2. mit der Aufarbeitung der Ermittlungsarbeit von Polizei und Staatsanwaltschaften bei den NSU-Taten, einschließlich der dabei gemachten Fehler, Unterlassungen, möglicherweise auch Fahrlässigkeiten und Unterstützungshandlungen, sowie der Auswirkungen eines vorhandenen institutionellen Rassismus’;
3. mit der Praxis der Geheimdienste, vor allem der des NRW-Verfassungsschutzes (NRW-VS), in Bezug auf die militante Neonazi-Szene in NRW;
mit der Aufarbeitung des Umgangs der verantwortlichen Behörden und Politiker_innen mit den Opfern politisch rechts motivierter Gewalt – nicht nur im Zusammenhang mit dem NSU.
NSU-Watch NRW liegt mit seinen Forderungen nicht allzu weit entfernt von dem Auftragstext des NRW-Untersuchungsauschusses. Der Untersuchungszeitraum ist nach dem Wunsch aller Landtagsfraktionen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung des Untersuchungsausschusses angesetzt.
Der Untersuchungsauftrag im Antragstext für den NRW PUA enthält folgende Punkte
die Aktivitäten der rechtsterroristischen Gruppierung NSU und eventueller Unterstützerinnen und Unterstützer insbesondere in der rechtsradikalen Szene in Nordrhein-Westfalen von Oktober 1991 bis zur Einsetzung dieses Untersuchungsausschusses;
- der Verfahren zur Ermittlung der Täterinnen und Täter der Sprengstoffanschläge vom
19. Januar 2001 und vom 9. Juni 2004 in Köln sowie des Mordanschlags vom 4.
April 2006 in Dortmund, die nach heutigen Erkenntnissen jeweils dem NSU zugerechnet werden; - weiterer, in Nordrhein-Westfalen begangener Straftaten mit einem mutmaßlich politisch rechts motivierten Hintergrund, wie etwa dem dreifachen Polizistenmord vom 14. Juni 2000 in Dortmund und Waltrop sowie dem Sprengstoffanschlag am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhahn vom 27. Juli 2000;
- Schlussfolgerungen unter anderem für die Sicherheits- und Justizbehörden sowie zur Rechtsextremismusprävention zu erarbeiten
- Darüber hinaus soll sich der NRW PUA mit folgenden Detailfragen beschäftigen:
- Rechtsradikale Strukturen, Aktivitäten und Netzwerke in Nordrhein-Westfalen
- Kooperation von Sicherheits- und Justizbehörden bei der Bekämpfung von Rechtsradikalismus und der Verfolgung politisch rechts motivierter Straftaten im Zusammenhang mit dem NSU
- Weitere mutmaßliche Aktivitäten des NSU in Nordrhein-Westfalen (z.B. der Mord an drei Polizisten in Dortmund und Waltrop am 14. Juni 2000 und der Sprengstoffanschlags 2000 am S-Bahnhof Düsseldorf-Wehrhan). Und Näheres zum Sprengstoffanschlag in der Keupstraße in Köln und dem Mord an Mehmet Kubasik in Dortmund
- Die Rolle der V-Leute „Corelli“ und „Heidi“
- Nachrichtendienstliche Erkenntnisse
- Ermittlungsmaßnahmen im Umfeld der Opfer
- Maßnahmen zur Aufklärung der NSU-Taten durch nordrhein-westfälische Sicherheits- und Strafverfolgungsbehörden sowie durch die jeweils vorgesetzten Dienststellen und die Landesregierung seit dem 4. November 2011
Update: Der Landtag in NRW hat die Einsetzung eines NRW-Untersuchungsausschuss zum Terror des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU) inzwischen beschlossen. Wie zu erwarten war, stimmte das Plenum geschlossen dem gemeinsamen Antrag aller Fraktionen zu. Den abgestimmte Antrag im Wortlaut findet man hier. Nach Thüringen, Bayern und Sachsen ist dies der vierte Länderausschuss Er wird aus zwölf stimmberechtigten Mitgliedern bestehen. SPD: Fünf Mitglieder, CDU: Drei Mitglieder, Bündnis 90/ Die GRÜNEN: Zwei Mitglieder, FDP: Ein Mitglied, PIRATEN: Ein Mitglied.