Der Friedenswinter, die Linke und Ken Jebsen

friedenswinter2014Am Samstag wird in Berlin, Hamburg, München, Leipzig, Heidelberg und Bochum der so genannten Friedenswinter 2014/1015 eingeläutet. Der Friedenswinter ist mit den umstrittenen Montagsmahnwachen verbunden, die in letzter Zeit zunehmend von Rechten und Verschwörungstheoretikern, wie den Aluhüten, unterwandert werden. In diesen Fällen hilft nur eine deutliche Distanzierung, wie es einige Bochumer Friedensinitiativen zurecht im Blick auf den Friedenswinter gemacht haben. Die „neue Friedensbewegung“ wehrt sich gegen Unterwanderungsvorwürfe – doch wer sich im Friedenswinter mit Scharfmachern wie Ken Jebsen zusammentut, muss sie sich diesen Vorwurf gefallen lassen. Dieser weitere Schulterschluss ist ein Erfolg im Sinne der Querfrontstrategen.

Selbst wenn alte oder neue Friedensbewegte mit einer Portion Naivität an die Organisation herangegangen sein sollten, ist es höchste Zeit sich immer wieder von Leuten wie Ken Jebsen und Jürgen Elsässer deutlich zu distanzieren. Das gilt auch für die drei Bundestagsabgeordneten von Die Linke, die den Bochumer Aufruf unterzeichneten und für den Verein IALANA (Juristen und Juristinnen gegen atomare, biologische und chemische Waffen), der Mitorganisator ist.

Die Veranstalter des Friedenswinters gehen eine gefährliche Koalition mit Ken Jebsen ein, der nicht nur zu den Montagwachen aufruft, sondern auch als Unterzeichner den Friedenswinter unterstützt. Seitdem er sich vom öffentlich-rechtlichen Sender RBB getrennt hat, betreibt er den Internet-Sender KenFM und lädt illustre Gäste aus dem Feld der Neu-Rechten ein. Dazu gehört Dr. Udo Ulfkotte, Mitbegründer der islamfeindlichen Bürgerbewegung Pax-Europa e.V. (BPE), der im einschlägig bekannten Kopp Verlag Bücher mit den vielsagenden Titeln „Albtraum Zuwanderung: Lügen, Wortbruch, Volksverdummung“ oder „Gekaufte Journalisten“ publiziert.

Genug Distanz? Bochumer und Essener Friedensbewegte zu Gast im KenFM-Studio

Der Mangel an Distanz der Bochumer Friedensbewegten zu Ken Jebsen mag auch daran liegen, dass sich der IALANA- Geschäftsführer und Bochumer Friedenswinter-Organisator Reiner Braun mehrfach, wie auch der Essener Friedenswintermacher Bernhard Trautvetter (Essener Friedensforum), von Ken Jebsen persönlich bei KenFM interviewen liessen – das schafft Vertrauen dort, wo eine gesundes Misstrauen dringend notwenig wäre. Die jetzigen Distanzierungsversuche auf der Friedens-winter Homepage kommen zu spät – die Stellungnahme wirkt halbherzig.

Reiner Braun, der auch Geschäftsführer der Vereinigung Deutscher Wissenschatler (VDW) ist, hat mit Ken Jebsen kein Problem, wie die taz schrieb. Er ist der Meinung, dass Ken Jebsen lediglich „eine relativ scharfe Israelkritik – aber auch nicht mehr“ formuliert. Ein Video auf YouTube, in dem Jebsen verbal so ziemlich alles auffährt, was für judenfeindliche Ressentiments nutzbar zu machen ist, wurde inzwischen auf YouTube gelöscht. Doch haben Jebsen-Fans dafür gesorgt, dass die antijüdische Tirade weiterhin im Netz kursiert.

Ken Jebsen: Propagandamaschinierie, Marionettenregierung und die Drecksmedien

Ken Jebsen erläutert 57 Minuten lang unter anderem, dass durch „die Propagandamaschinerie radikaler Zionisten“ eine „mediale Massen-vernichtungswaffe“ geschaffen worden sei, dass die Mehrheit zum Schweigen verurteilt sei – „aus Angst“, weil wir „eingeschüchtert sind“ und wir die „Fresse halten“ sollen. Die angebliche Macht der Juden und „Israel-Lobbyisten“ beschreibt er im üblichen rechten Jargon: Sie sind Drahtzieher, sie verschleiern ihre Machenschaften, sie haben die Macht, die gesamte öffentliche Meinung und die Medien zu manipulieren, sie unterwandern seit Jahrzehnten die US-Außenpolitik, US-Präsident Barack Obama muss sich seine Reden zur Außen- und Nahostpolitik bei den pro-israelischen Organisation AIPAC genehmigen lassen und ohne jüdische Zustimmung wird laut Jebsen ein US-Präsident nicht wieder gewählt.

Und weiter geht es mit den Verschwörungstheorie-typischen Behauptungen, dass hinter den Regierungen andere Mächte stehen. Jebsen meint, dass George Bush, Dick Cheney und Donald Rumsfeld „Marionetten“ seien, die wahren Machthaber blieben im Hintergrund, was Teil ihrer Strategie sei. Die wahre Macht in Hollywood („Propagandamedium Film“) liege fest in der Hand von pro-israelische Lobby-Mitgliedern und auch das Vermögen amerikanischer Juden als weiterer jüdischer Weltmacht-Faktor darf natürlich nicht fehlen.

Jebsen O-Ton: „Das auserwählte Volk agiert mittels Mossad (…) nach den Methoden der Nazis, die sich über jedes Recht hinwegsetzen, über Leichen gehen“. Weiter fragt er nach dem ideologischen Unterschied zwischen auserwählten Volk und Herrenrasse und setzt den Zionismus mit der Rassenideologie des NS-Zeit mit den Worten „ziemlich identisch“ gleich. Die Holocaust-Opfer von damals nennt er die Täter von heute. Kritik an israelischer Politik? Harmlos? Nein, es ist neben dem Versuch der Relativierung des Holocaust, die übliche antisemitische Argumentationslinie.

Ken Jebsen und sein Verschwörungstheoretiker-Freund Jürgen Elsässer

Wer gemeinsam mit jemanden zum „Frieden“ aufruft, der wie Ken Jebsen behauptet, dass die amerikanische Wirtschaft  aus „radikalen Zionisten mit US-Paß, deren Hobby Israel ist und deren Lieblingssport im Schlachten von Arabern besteht“, steht mit seinen beiden Beinen mit im antisemitischen Verschwörungstheoretiker-Sumpf.Ken Jebsen zu Gast bei Jürgen Elsässer, Compact TV, Screenshot YouTubeKen Jebsen zu Gast bei Jürgen Elsässer, Compact TV, Screenshot YouTube

Ken Jebsen ist Dauergast bei Verschwörungstheoretiker Jürgen Elsässer. In Elsässers Compact-TV schwadroniert er mal über die Lügenmechanik der angeblich manipulierten Medien und ein anderes mal über Deutschland als besetztes Land, wie es auch die rechtsextremen Reichsbürger behaupten, die die BRD als Staat nicht anerkennen. Ken Jebsen ist auch ein Vertreter der Theorie, dass 9/11 kein Terroranschlag war und die MH17 nicht abgeschossen wurde – zwei Lieblingsmotive der Verschwörungstheoretiker-Szene. Im Gegenzug darf Jebsen beim Kollegen Jürgen Elsässer seine Positionen verbreiten und mit ihm gemeinsam das neuste Compact-Heft vorstellen. Die beiden verbindet auch eine wenig differenzierte Meinung zu den „Mainstream“-Medien, den Spiegel bezeichnete Jebsen als „Drecksblatt“, das Lügen verbreiten. Denn in Kens Welt ist Kritik an der Politik Russlands oder gar an Putin nicht erlaubt.

Noch mehr Gäste bei Ken Jebsen: Wofgang Gehrcke (MdB) von DIE LINKE

Wolfgang Gehrcke, Bundestagsabgeordneter und stellvertretender Fraktionsvorsitzender Die Linke ist morgen in Bochum Redner, unterstützt wird er von seinen linken Bundestags-Kollegen Inge Höger (MdB), Andrej Hunko (MdB) und Kathrin Vogler (MdB), die den Aufruf ebenfalls unterzeichneten. Das sich die Bundeslinken vom Friedenswinter distanziert haben, ficht ihn offenbar nicht an. Im Mai hiess es in einem Beschluss des Parteivorstandes: „keine Unterstützung von rechtsextrem, verschwörungstheoretisch und antisemitisch durchsetzten Veranstaltungen der sogenannten Friedensbewegung 2014“ beiten zu wollen. Auch Wolfgang Gehrcke gab ein exklusives Interview bei Ken Jebsen auf KenFM.

Wolfgang Gehrcke bei KenFM, Screenshot YouTube

Dass Friedenswinter-Unterzeichnerin Sahra Wagenknecht ihre Rede bei der Demo aus „Termin-gründen“ abgesagt hat, aber nach Auskunft ihres Büros weiter zu der Sache steht, zeigt, dass nicht nur alte Friedensbewegte, sondern auch die Linke ein Problem mit der notwendigen Distanzierung hat. Ob es den Linken langfristig gut bekommt, mit Montagsdemo-Initiator Lars Mährholz in einem Boot zu sitzen? Er organisierte mit dem Chemtrail-Gläubigen und Verschwörung- theoretiker Andreas Popp von der Wissensmanufaktur im April diesen Jahres eine Veranstaltung zur Friedensbewegung 2.0. In einem Interview imKulturstudio wirft er sich vor Jürgen Elsässer und bezeichnet Elsässer-Kiriker wieJutta Ditfurth als „Diffamierer“. Andreas Popp wird gemeinsam mit Jürgen Elsässer beim Wittener 1.Wissenskongress, einer Art bundesweitem Familientreffen der Verschwörungstheoretiker, auftreten.

Vielleicht gucken dort mal ein paar Abgeordnete von die Linke vorbei, um sich selbst ein Bild davon zu machen, mit wem es sich einige der NRW-Linken im Friedenswinter gemütlich machen möchten. Und auch die Friedensbewegung muss sich fragen, von wem sie sich unterstützen lässt, denn diese Zerreissprobe wird sie langfristig nicht unbeschadet überstehen. Sie muss sich noch deutlicher von verschwörungs-theoretischen Strömungen distanzieren und gegebenenfalls eine Veranstaltung auch mal absagen, die von Leuten wie Ken Jebsen unterstützt wird. Denn Hetze, wie sie Jebsen betreibt – auch wenn sie rhetorisch geschult von einem smarten Vertreter vorgetragen wird – dient einer Sache ganz bestimmt nicht: dem Frieden.