Rathaus-Überfall: Amtsgericht Dortmund will das Verfahren an das Landgericht abgeben
Nachdem zahlreiche Verfahren im Zusammenhang mit dem Dortmunder Rathausüberfall 2014 gegen die so genannten Rathausverteidiger wegen Nötigung eingeleitet wurden, macht das Amtsgericht einen Rückzieher. Der Rathausüberfall durch Rechtsextremisten am Wahlabend hatte bundesweit für mediale Empörungswellen gesorgt. Nun möchte das bisher zuständige Amtsgericht das Problem weiterreichen. Sie sehen die Zuständigkeit bei der Strafkammer des Landgerichtes Dortmund. Das Kompetenz-Verschieben zwischen den Gerichten könnte für eine „never ending story“ der Aufarbeitung des Rathausüberfalls sorgen. Andererseits ist es ein eleganter Weg, um sich aus der unangenehmen Affäre zu ziehen. Das Schreiben des Richters des Amtsgerichts sieht so aus, als ob er die Suppe, die er sich nicht selbst eingebrockt hat, auch nicht auslöffeln will.
14 Strafbefehle wurden seit dem Wahlabend, an dem Rechtsextremisten versuchten sichgewaltsam zum Dortmunder Rathaus Zutritt zu verschaffen, verschickt. Die Gäste hatten versucht, die Mitglieder der Partei „Die Rechte“ an der Teilnahme der Wahlparty zu hindern. Aufgrund der fehlerhaften und einseitigen Ermittlungen leitete eine Rechtsanwältin ein detailliert recherchiertes und fundiert ausformuliertes Disziplinarverfahren gegen die Staatsanwaltschaft Dortmund ein.
Der zuständige Richter am Amtsgericht Dortmund lehnt nun mit einem Beschluss vom 23. Juni 2015 die Entscheidung über den Antrag der Staatsanwaltschaft auf Erlass der 14 Strafbefehle mit einem gekonnten juristischen Schachzug wegen mangelnder „sachlicher Zuständigkeit“ ab.
Das Gericht führt in seinem Schreiben aus, dass die Staatsanwaltschaft Dortmund über das weitere Verfahren zu entscheiden habe. Nach dem Weg zu einem Beschwerdegericht, bliebe den Staatsanwälten nur noch die Möglichkeit, „eine den gesetzlichen Anforderungen genügende Anklageschrift bei dem gegebenenfalls höherrangigen Gericht einzureichen“, so der Wortlaut des richterlichen Schreibens. Touché!
Die etwas harschen Worte lassen darauf schliessen, dass es zwischen Gericht und der Staatsanwaltschaft geknarzt hat. Spannend ist, wie sich die Staatsanwaltschaft am Dortmunder Landgericht zur der Aufforderung, zu übernehmen, verhalten wird.
Die Hand rechtzeitig von der heissen Herdplatte nehmen: Gericht stellt besondere Bedeutung des Falles „Rathaussturm“ fest
Das Gericht begründet seine Nicht-Zuständigkeit mit dem „besonderen Umfang“ und der „besonderen Bedeutung des Falles“. Dies ist nicht nur angesichts des überregionalen Medieninteresses nachvollziehbar, sondern auch weil in den letzten Wochen weitere Rechte Gewalttäter bekannt geworden sind. Diese wurden allerdings nicht durch die Staatsanwaltschaft ermittelt, sondern durch Medienberichte bekannt gemacht. Auch ein, der Polizei seit einem Jahr vorliegendes Videoband, sorgte für späte mögliche Aufklärung.
Als ein weiteres Indiz für die Bedeutsamkeit sieht das Amtsgericht an, dass mancher den Wahlabend gar als historisches Ereignis einordnete: „Erstmalig in der Nachkriegsgeschichte habe ein Rathauseingang gesichert werden müssen“ zitiert das Schreiben die CDU-Landtagsfraktion. Zudem sei Kritik von dem Landtagsabgeordneten Torsten Sommer (Piraten) an dem Polizeieinsatz laut geworden, andere hätten dem Staatsschutz öffentlich vorgeworfen, versagt zu haben. Auch dies begründe eine „besondere Bedeutung“ des Falles.
Das Gericht bemängelt, dass bei 14 Angeschuldigten der Verfahrensaufwand groß sei. Die nur schwer zu beurteilenden Videoaufnahmen, die die Nötigungen der Rathausverteidiger belegen sollen, seien nur mit „erheblichen Aufwand“ auszuwerten. Das Gericht befürchtet zudem, dass alle der Nötigung Beschuldigten, Einspruch einlegen werden. Sie könnten dann das Verfahren durch eigene Verteidiger und Beweisanträge in die Länge ziehen. Ein Stillstand sei angesichts des Umfangs der Beweisaufnahme zu erwarten. Zudem müsse man zur Aufklärung Zeugen mit politischen Hintergrund laden.
Ein politisch brisantes Verfahren ist für ein der Neutralität verpflichtetes Gericht verständlicherweise nicht angenehm. Man kann daher vermuten, dass es den Richtern des Dortmunder Amtsgerichtes nicht nur ein Anliegen ist, angesichts der Verfahrensdauer von über sechs Tagen eine Überlastung zu verhindern, sondern vielmehr auch darum, nicht weiterhin bundesweit vorgeführt zu werden. Kommen sie damit durch – Coupé!
Am Ende resümiert das Schreiben, dass die gerichtliche Klärung eine „erhebliche Unsicherheit in der Bevölkerung“ hervorrufen könne. Die Argumentation des Gerichts, die diese Behauptung untermauern soll, steht jedoch auf tönernen Füßen. Rechtssicherheit in Bezug auf die rechtliche Verfolgung von Gewalttätigkeiten durch Rechtsextremisten, schafft wohl kaum Unsicherheit in der Bevölkerung.