Syrer demonstrieren in Köln gegen Sexismus:
 „Wir entschuldigen uns!“

SyrergegenSexismus16_webÜber 200 Menschen haben am Samstag in Köln gegen die massenhaften Übergriffe auf Frauen in der Silvesternacht am Kölner Hauptbahnhof unter dem Motto „We are all Cologne“ demonstriert. Für den Syrer Sakher Al-Mohamad waren die Exzesse der Anlass, die Demonstration zu organisieren – über Facebook und den Hashtag #SyrergegenSexismus mobilisierte er für die Kundgebung. . Er musste vor einigen Monaten vor den IS-Kämpfern aus seiner Heimatstadt fliehen. Trotz des eisigen Windes sind zahlreiche Zuwanderer aus verschiedenen arabischen Ländern zum Platz gegenüber dem Kölner Dom gekommen. Vor allem männliche Geflüchtete zeigten ihre Solidarität mit den Opfern sexueller Gewalt. Im Kreis stehend hielten die Männer selbst gemalte Plakate mit Sprüchen hoch. „I’m against sexism, my religion doesn’t matter.“ Mit der Relgion des Islam möchte hier niemand die Kölner Ereignisse verbinden. „Gewalt gegen Frauen ist keine Privatsache!“ steht auf einem anderen Schild.


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Sie seien zwar nicht die Täter, wollen sich aber stellvertretend bei den deutschen Frauen entschuldigen, sagt einer der jungen Flüchtlinge. Die Übergriffe seien beschämend – ein Redner fordert harte Strafen für die Täter. Organisator Al-Mohamad war sich sicher, dass heute viele kommen würden. In seinem Umfeld seien die meisten sehr aufgewühlt, erzählt der 28-jährige Syrer. „Wir haben die Demonstration heute für alle Menschen gemacht. Denn wir sind ein Teil dieser Gesellschaft und wir sind gegen Sexismus. Das wollen wir deutlich machen.“

Auch der 25-jährige Bilal erfuhr über Facebook von der Aktion und ist mit einigen Freunden aus der Eifel nach Köln angereist. „Ich will heute laut sagen, dass sexuelle Übergriffe ganz bestimmt nicht der Grund sind, warum wir hierher gekommen sind. Im Gegenteil: Wir wollen in Frieden leben und mögen die Deutschen. Sie helfen uns sehr. Mir tut es leid, was arabische Männer getan haben. Wir wollen uns dafür bei allen Deutschen entschuldigen.“ 

Die Flüchtlinge verteilen Rosen an die Passantinnen „aus Respekt gegenüber den Frauen und aus Mitgefühl“.

SyrergegenSexismus25_webDie Aktion kommt bei vielen Frauen gut an, sie stellen sich mit der Blume in der Hand zu der Kundgebung. „Ich finde das sehr gut. Auf so ein Zeichen habe ich gewartet!“, sagt eine 61-jährige Kölnerin. Auch eine junge Frau ist zu der Demonstration gekommen. Nicht nur um Solidarität mit den Opfern der Gewaltexzesse zu zeigen, sondern auch um sich mit den Flüchtlingen zu solidarisieren. “Ich spreche mich dagegen aus, dass die Flüchtlinge nun unter Generalverdacht gestellt werden. Tatsache ist doch, dass nicht jeder von ihnen ein Sexist ist. Man darf jetzt nicht alle in einen Topf werfen und die Silvesternacht instrumentalisieren, um generell gegen Flüchtlinge zu wettern.“ meint die 23-jährige Nadine Lange. Sie hält ein Schild mit rosa Herzen bemalt in die Höhe: „Menschenrechte statt rechte Menschen – gegen Sexismus und Rassismus“.

Als die ersten Demonstranten den kalten Bahnhofsvorplatz verlassen sagt einer der Redner: „Wir sagen Danke zu Deutschland“. Danach drängen Besucher*innen der Kundgebung spontan an das Mikrophon. Eine junge Studentin erinnert daran, dass Sexismus und Gewalt gegen Frauen alltäglich ist. Ausgeübt von Männern – ganz egal welcher Nationalität. „Wir wollen Gleichberechtigung für alle – für Frauen und für Männer. Köln ist eine multikulturelle Stadt!“ ruft sie in die Menge.
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Der preisgekrönte Pianist Ayham Ahmad spielt noch einmal auf seinem mobilen Klavier, das auf der improvisierten Bühne steht. Er hat selbst eine Fluchtgeschichte hinter sich und wurde im arabischen Raum prominent, weil er in dem berüchtigten Flüchtlingslager Jarmuk bei Damaskus versuchte, den Flüchtlingen durch seine Lieder, gespielt auf einem rollenden Piano, ein bisschen Lebensfreude zu geben. Als der IS das syrische Lager unter seine Kontrolle brachte, floh auch er nach Europa. Als Ahmad Beethovens „Für Elise“ spielt, wird es in der Menschenmenge vor der Bühne leise. Multikulturalität wird in diesem Moment, trotz des Pegida-Mobs, der noch vor zwei Wochen am selben Ort mit Hassparolen gegen Geflüchtete hetzte, ganz real.

Bildnachweis: Copyright Ulrike Märkel

Ein Kommentar

  • Danke für diesen Eintrag! Gerade solche Meldungen schaffen es nahezu kaum noch in die allgegenwärtigen Medien. Das ist schade, traurig, verhängnisvoll.

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