AfD in NRW schliesst die Medien beim Parteitag aus

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Der Parteitag der NRW-AfD in Werl machte vor allem durch den Vorstandsbeschluss, die Presse auszuschliessen, von sich reden. Nach einer längeren parteiinternen Diskussion wurden die vor der Tür stehenden Medienvertreterinnen und -vertretern doch noch hineingelassen. Mit der nun anwesenden Presse tat man sich dennoch schwer. Die Journalistinnen und Journalisten wurden von einigen aufgefordert zu gehen, ein akkreditierter Blogger des Saals verwiesen, ein junger YouTuber hinausgeschmissen. Die Parteispitze mit Frauke Petry und Markus Pretzell gab sich moderat, die Mitglieder waren in ihren Äußerungen schon deutlicher.

Das Thema mit Sprengkraft, die aktuelle Asylpolitik, wurde auf den hinteren Teil der Tagesordnung gesetzt. Mehr als 300 Gegendemonstranten des parteiübergreifenden „Bündnis gegen Rassismus“ demonstrierten friedlich hinter den weiträumigen Absperrungen – in der Stadthalle nahm man von den Protesten nichts wahr. Der Parteitag startet mit der Verarbeitung der heftigen Kritik am Ausschluss der Presse. Einer begründete die Entscheidung damit, dass einem die Medien „in der Vergangenheit übel mitgespielt hätten“. Zwei Pressekonferenzen, statt Teilnahme am Parteitag – das sei die richtige Lösung! Dies hatte der Deutsche Journalisten-Verband jedoch als „Nanny-Journalismus“ im Vorfeld abgelehnt. Die AFD-Spitze lenkte ein, der Parteitag solle darüber abstimmen.

Die Meinungen dazu, ob überhaupt und wenn, wie Journalistinnen und Journalisten über den Parteitag berichten dürfen, gingen weit auseinander. NRW-Landeschef Marcus Pretzell war gegen den Ausschluss, konnte sich aber im Parteivorstand nicht durchsetzen. „Wir als Partei haben das absolute Recht zu entscheiden, wen wir hereinlassen“, gibt sich ein Redner selbstbewusst. Der Sprecher des AfD-Stadtverbandes Solingen hingegen spricht sich gegen den Ausschluss der Presse aus: „Dann tun wir das, was der Gegner will. Sie wollen uns einschüchtern, damit wir uns zurückziehen und einigeln und wir unsere Informationen nicht mehr nach außen kolportieren können.“ Die Teilhabe der Medien sei das eigene, originäre Interesse, warnt ein anderer Redner: „Wir sind eine rechtsstaatliche Partei und kein Verschwörerzirkel!“ und macht einen Vorschlag zum Umgang mit der Presse: „Ich bin dafür, dass sie von einem Extra-Raum aus berichten dürfen.“ Mit diesem Vorschlag kann er sich nicht durchsetzen, die Türen werden nach der Diskussion geöffnet und die Presse darf nun doch hineinspazieren. Parteitags-Star Frauke Petry gibt erfreut vor den Fernsehkameras ihre Statements zum Wahlprogramm.

Die AfD und die Presse: Petrys Kommunikationsregeln und Extra-Räume für Journalisten

In ihrem Grußwort stimmt Petry die Delegierten des stärksten AFD-Landesverbandes auf die Wahlen im Mai 2017 ein. Man könne auf die aktuelle Entwicklung stolz sein, bauchpinselt sie die Deligierten – im Gegensatz zur Niederlage bei der letzten NRW-Wahl, seien die Umfrageergebnisse im Moment hervorragend.

Beim Thema Pressepräsenz findet sie schnell einen Schuldigen: Die Presse selbst. Man würde schliesslich immer wieder erleben, dass in der Presse ein AfD-Vertreter gegen den anderen ausgespielt werde. Daher habe man nun einige verbindliche Kommunikationsregeln festgelegt, ein „Maulkorberlass“, wie kritisiert, sei dies aber nicht. „Die süsse Versuchung des hingehaltenen Mikrophons ist häufig stärker, als der Impuls einfach mal den Mund zu halten. Deswegen kommen häufig Presseberichte zustande, bei denen sie sich zurecht ärgern und an den Kopf fassen.“ erklärt sie. Bevor ein Kollege über den anderen in der Öffentlichkeit den Mund aufmache, solle er zum Telefon greifen. Das Reglement wird vom Parteitag mit viel Applaus bedacht, hatte sich doch die AfD in der Vergangenheit mit öffentlich ausgetragenen Intrigen und gehässigen Statements übereinander in der Öffentlichkeit selbst zerlegt.

AfD-Team Marcus Pretzell und Frauke Petry, Foto: Ulrike Märkel

Beim Thema Brexit ist der Parteichefin die Freude über den Austritt Großbritanniens deutlich anzusehen. Petry glaubt, dass die Wirtschaft auf der Insel vom Brexit profitiert: „Selbst die Börsen machen dieses Panikspiel nicht mit. Schon heute war der Aktienindex von Großbritannien über dem Wert!“ jubelt sie. Auch das Herzens-Thema der AfD lässt sie nicht aus. Bei all dem, was seit Jahrzehnten an den deutschen Genzen passieren würde, „handelt es sich um den Missbrauch des Asylrechts. So helfen wir weder Deutschland, noch Europa, noch den Ländern aus denen diese Migranten kommen. Hiermit gilt es eindeutig Schluss zu machen!“ Es folgt lang anhaltender Applaus – Petry trifft die Stimmungslage der Partei.

Ihr Lebensgefährte NRW-Chef Marcus Pretzell spricht in seinem Grußwort hingegen über die Familienpolitik als Kernkompetenz der AfD und und landet mit Schenkelklopfern wie „NRW kann vor Kraft kaum laufen“ bei den Delegierten immerhin viele Lacher.

Die AfD und die Zuwanderung: Zerstörung der Grundlagen

Nachdem die Wahlprogrammpunkte Arbeitsmarkt, Rente, Familie und Innere Sicherheit abgearbeitet sind, gibt es beim Thema Zuwanderung noch etwas mehr Diskussionsbedarf. Prof. Dr. Tropberger erläutert den Punkt des Wahlprogramms: „Migration und Integration müssen so gestaltet werden, dass die Interessen unseres Landes wieder im Vordergrund stehen, unser Wertesystem und die deutsche Leitkultur erhalten bleiben. Voraussetzung dafür ist die uneingeschränkte Akzeptanz der Wertefundamente unserer Gesellschaft, basierend auf dem Judentum, Christentum, Humanismus und Aufklärung und unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung. Nur ein Land, das selbstbewusst für seine Werte und Gesetze einsteht, wird in der Lage sein, seine nationale Identität effektiv zu integrieren.“

Dr. Quinten von der AfD Köln geht das zu weit. Er beantragte die Streichung des Satzes mit der Aufzählung der kulturellen Wurzeln Deutschlands. Ob er mit der demokratischen Grundordnung nicht zurecht kommt, wird in seinem Redebeitrag nicht ganz klar, aber „wenn man hier schon eine Aufzählung macht, dann soll auch die indo-germanische Kultur nicht vergessen werden, die war schliesslich früher als die jüdisch-christlichen da.“ Und überhaupt, „das Judentum ist nicht an erster Stelle zu nennen!“

AfD-Parteitag 2016 in NRW, Foto: Ulrike Märkel

Auch im nächsten Programmpunkt ist die Angstmache, mit der die AfD am rechten Rand Stimmen fischen will, deutlich: „Deutschland ist von einer Massenmigration und einer ziellosen Integrationspolitik betroffen, die unser Land aus dem Gleichgewicht bringt. Diese unkontrollierte Zuwanderung droht die politischen, kulturellen und gesellschaftlichen Grundlagen Deutschlands und Europas zu zerstören.“

Das Thema Innere Sicherheit sieht Marcus Pretzell seit den Vorkommnissen in Köln als „ein geborenes Wahlkampfthema“ für die AfD. Beim Dexit ist er zurückhaltend. Der Austritt Deutschlands aus der Europäischen Union sei derzeit eine Phantom-Diskussion. Eine komplette Neufassung der EU Verträge sei dringend erforderlich. „Wir müssen zurück in die Zeit vor Maastricht und uns auf den gemeinsamen Binnenmarkt konzentrieren. Freier Handel im Schengenraum ist schliesslich wunderbar.“

Die AfD im Schafspelz?

Einwanderung findet er nicht ganz so wunderbar: „Dort wo tatsächlich ein Asylgrund vorliegt, müssen wir langfristig Schutz gewähren. Das heisst aber auch, dass wir diejenigen die Schutz brauchen von denjenigen, die sich unter fadenscheinigen Behauptungen Asyl erschleichen wollen, trennen.“ 90 % der Flüchtlinge hätten keinen Anspruch auf Asylrecht. Das Grundgesetz sähe schliesslich vor, dass Flüchtlinge, die aus einem sicheren Drittland, vor allem aus Österreich kommen, dorthin zurückkehren müssen. „Punkt, Ende des Verfahrens.“ Wie Österreich damit zurecht kommen soll und was die FPÖ wohl zu diesem Verfahren sagt, führt Pretzell nicht aus.

Die AfD Mitglieder sprechen etwas weniger kontrolliert über ihre Probleme mit der Zuwanderung, sind aber mit ihren Äußerungen an den meisten deutschen Stammtischen durchaus konsensfähig: „Ich will in Deutschland kein Scharia-Recht haben“ … „straffällig gewordene Täter haben hier nichts zu suchen“ … „christliche Asylbewerber sind der Gewalt von Muslimen in den Heimen ausgesetzt“ … „nicht nur Flüchtlinge, sondern auch die deutsche Regierung betreibt Asylmissbrauch“ … „die Konzerne haben zu einer Vermischung der Gesellschaft beigetragen“.

Danach gehen die ersten Delegierten mit Blick auf das anstehende EM-Spiel Deutschland gegen Italien nach Hause. Ein ganz normaler Parteitag einer rechtspopulistischen Partei in Deutschland endet unspektakulär.

Resümee: Die AfD ist vor allem bei ihren Kernthemen Europa und Zuwanderung gespalten. Zwischen den schneidigen Vertretern des Rechten Flügels, zwischen Rechtskonservativen und gemässigten Kritikern der Zuwanderungspolitik und zwischen EU-Feinden und den Verfechtern eines gemeinsamen Binnenmarkt herrscht Uneinigkeit. Trotz des parteiinternen Maulkorberlass waren die rechtsorientierten Stimmen nicht zu überhören. Die Parteiführung übte sich im Spagat und versucht den Ton zwischen seriöser Politik und deftig-klaren Worten zu finden.

Das Bemühen der AfD um Normalität sollte einem Sorgen machen. Schafft die Parteiführung es, sich von ihren antisemitischen und offen rassistischen Spitzenleuten zu trennen und dennoch weiterhin die Ressentiments ihrer von Globalisierung und Zuwanderung überforderten Wählerklientel zu bedienen, wird die rechtspopulistische Partei bald als ernstzunehmende politische Kraft zur „normalen“ Realität in Deutschland gehören. Das Versprechen von Frauke Petry, sich in Zukunft gegenüber den Medien professioneller als bisher zu verhalten, kann man in diesem Zusammenhang ruhig als Drohung verstehen. Man wird dann in Zukunft mehr zwischen den Zeilen lesen müssen.

Bildnachweis: Copyright Ulrike Märkel

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